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geschrieben von Moritz
am 2015-12-29
Letzte Änderung:
2016-05-23
Frankfurt am Main nach Frankreich
Tag 4: 11. September 1941
Am Morgen des 11.9.1941 kamen sie in Frankfurt am Main an. Bereits Tage zuvor hatte Erich Jacobs der Familie Marx geschrieben, wann sie vorrausichtlich dort eintreffen würden. Deswegen wartete Frau Marx bereits am Bahnsteig auf sie. Sie gab Erich Jacobs Essen, welches sie durch das Fenster reichte. Sie war eine gutmütige Frau, die alles für ihre Mitmenschen tat, doch überlebte das KZ nicht. Der Zug rollte weiter in Richtung Frankreich und nach ein paar Stunden erreichten sie die französische Grenze, aber in Sicherheit waren sie noch lange nicht. Als der Zug an einem Bahnhof in Frankreich hielt schrie jemand von draußen wo denn das Kind sei, denn eine Schwester vom Roten Kreuz stand draußen und wollte ihm Milch bringen. Ein Nazi hatte der Schwester mitgeteilt, dass ein Kind im Zug sei. Das zeigte, dass trotz aller Widerwärtigkeit, es manchmal Zeichen für Menschlichkeit. Alle schienen Jethro gern zu haben.
Spät am Abend des 11.9.1941 kam die Familie Jacobs an einem Pariser Bahnhof an. Es dauerte ein paar Stunden bis der Zug Paris verlassen konnte, doch sicher waren sie bis zur Grenze dennoch nicht. Während der ganzen Fahrt schlief Jethro zwischen Erich Jacobs und Hetti auf einer Matratze und strahlte sehr zufrieden, als wäre alles eine Selbstverständlichkeit.
Frühmorgens ging Erich Jacobs in den Gang des Zuges um zu beten. Er hatte mit einer sehr großen Andacht gebetet, da es für ihn genug Gründe gab um Gott dankbar zu sein, denn er hatte ihnen in den letzten Wochen so sehr geholfen, dass Erich Jacobs kaum den Mut aufbrachte um noch für was weiteres zu bitten. Das Wichtigste, die Spanische Grenze zu überqueren, hatten sie erst noch vor sich. Als Erich Jacobs während der Fahrt durch Frankreich in seinen Taschen kramte fand er einen Zwanzigmarkschein, allerdings durfte er kein Geld mit ins Ausland nehmen, aber er hatte ihn übersehen als er All sein Geld beim Hilfsverein abgeben sollte. Er wusste nicht was er mit ihm machen sollte und entschied sich dann ihn in einen Briefumschlag zu packen und zu Adele zu schicken. An einem Bahnsteig fragte er dann aus dem Zug heraus ob Jemand den Brief einwerfen könnte. Wie Adele ihm später mitteilte erreichte der Brief sein Ziel.
In Südfrankreich sah Familie Jacobs das erste Mal in ihrem Leben Palmen, währenddessen nährten sie sich der französisch-spanischen Grenze zwischen Hendaye und Irun. Eine lebenswichtige Entscheidung stand bevor. Bald würden sie wissen, ob die Grenze von antisemitischen Nazis kontrolliert wurde, sodass sie wieder zurück geschickt würden. Von diesen Nazis hing ihr Leben ab, ob sie die Familie Jacobs passieren lassen würden oder wieder zurück nach Deutschland in den Tod schicken würden. Die Anspannung war riesig. Schließlich hielt der Zug an einem Bahnhof an und alle mussten aussteigen. Die Nazis holten die Koffer und schafften sie ins Bahnhofgebäude. Dann wurden nacheinander die Namen aufgerufen und die Koffer wurden kontrolliert. Erich Jacobs verstand nicht, warum jeder Koffer nochmals kontrolliert werden musste, weil sie ja schon unter Aufsicht eines Beamten gepackt worden waren. Als Erich Jacobs und Hetti herbeigerufen worden waren zeigte Erich Jacobs sofort die Bestätigung des Berliner Hilfsverein, dass er Koffer für andere mitgenommen hatte. Er sollte die Koffer öffnen, aber schaffte es nicht, vielleicht weil er in Berlin die falschen Schlüssel bekommen hatte oder weil es so viele waren und er nicht den richtigen fand. Die Koffer wurden daher gewaltsam geöffnet. Dabei wurden sie geprüft und es gab keine Unregelmäßigkeiten, also durfte Erich Jacobs die Koffer wieder mit Schnüren verschließen. Weil die Inspektion so lange dauerte, wurden die privaten Koffer der Familie Jacobs nur sehr flüchtig überprüft, was eine glückliche Fügung war. Der Kontrolleur stempelte die Pässe ab und schickte die Familie wieder hinaus. Ein riesen Stein fiel der Familie Jacobs vom Herzen, da sie nicht zurückgeschickt worden waren. Sie konnten gehen und sehr bald würden sie frei sein. Erich Jacobs dachte die gute Tat, die Koffer mitzunehmen, hatte dazu beigetragen. Sonst hätten die Beamten die privaten Koffer genauer untersucht und hätten Zigaretten und Kleiderstoff gefunden. Den Kleiderstoff hatte Hetti früher in Nuttlar bei Adele gekauft oder von ihr geschenkt bekommen. Niemand durfte derartige Dinge aus Deutschland exportieren. Hetti ist ein großes Risiko eingegangen, sie hatte alles zusammengefaltet und ein unauffälliges Kissen daraus gemacht und in den Koffer gepackt als der Beamte nicht schaute. Es wäre der Familie Jacobs nie in den Sinn gekommen, dass sie den Koffer nochmal hätten öffnen müssen bevor sie angekommen wären.
Wenn der Beamte den Koffer mit den Büchern geprüft hätte, hätte er vermutlich die Erläuterungen gefunden, die sich Erich Jacobs zum Ersten Buch Mose machte. Er hätte fragen können was das sei, vielleicht Bemerkungen über Deutschland oder etwas Ähnliches. Es waren viele Bemerkungen über das Thema Antisemitismus dort drin. Erich Jacobs hatte noch einmal viel Glück, dass dies nicht gefunden wurde und einmal mehr war ein Wunder geschehen. Bald saßen sie wieder in dem Zug, der sie über die Grenze nach Spanien bringen sollte.

  • "Wunder geschehen doch noch / Geschichte und Schicksal der jüdischen Familie Jacobs" - Erich Jacobs,
    Hrsg. von Siegfried Homann, Karl-Heinz Martini, Franz-Josef Wiemer. Aus dem englischen Originalmanuskript übersetzt von Andreas Wiemer (Deutsche Ausgabe; ISBN 3-938481-00-5)

  • Korrekturen, mit Unterstützung von Erich Jacobs' Tochter
    Vielen Dank an Fredel Fruhman ehem. Jacobs