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geschrieben von Canan
am 2016-01-01
Letzte Änderung:
2016-04-07
Der Tod meiner lieben Mutter
Die Mutter von Erich Jacobs lag am Sterbebett. Die politische Entwicklung und den Antisemitismus hatte die Mutter von Erich nie verstanden. Sie war mit den Nicht-Juden zusammen groß geworden und hatte mit ihnen Geschäfte gemacht. Erich spürte, dass seine Mutter nicht mehr lange zu leben hatte und begab sich mit dem Einbruch der Dunkelheit zu seiner Mutter. Juden mussten in der Dunkelheit in ihren Häusern sein und durften Nachts nicht mit dem Zug fahren.
Erich missachtete diese Regeln und setze sein eigenes Leben in Gefahr.
Als er seine Mutter sah, war ihm sofort bewusst, wie weit die Krankheit fortgeschritten war.
Auch der Arzt, der trotz des Naziverbotes wagte, die jüdische Patientin zu behandeln, konnte nichts mehr ausrichten. Am 17. April 1941 verstarb die Mutter. So wurde ihr sicherlich das Leid erspart, in ein KZ gebracht zu werden. Kurz darauf wurden die Geschwister von Erich, Louis und Adele und viele andere Juden ins KZ verschleppt. Erich wollte die Genehmigung für die Beerdigung erhalten, da die Familie zu der jüdischen Gemeinde in Bigge gehörte, sprach Erich den Bürgermeister darauf an. Der Bürgermeister allerdings schien Angst vor irgendwelchen Repressalien durch die Nazis zu bekommen. Daraufhin rief Erich den Bürgermeister in Meschede an, dieser allerdings weigerte sich auch. Verzweifelt telefonierte er mit der Regierung in Arnsberg. Dort bekam er zu hören, dass alle jüdischen Friedhöfe in deren Regierungsbezirk geschlossen seien. Erich ging zum Pastor Biggemann und er versprach ihm, dass er seiner Mutter einen schönen Platz zuweisen würde. Im Anschluss rief er seine Frau Hetti in Recklinghausen an und bittet sie den Präsidenten deren Gemeinschaft zu fragen, ob in Recklinghausen noch die Möglichkeit bestehe, seine Mutter auf dem jüdischen Friedhof zu beerdigen. Ihm wurde ausgerichtet, dass die Regierung nicht viel Benzin genehmigt, wie er für diese Fahrt benötigen würde. Erich solle den Sarg mit dem Zug nach Recklinghausen transportieren, dann käme der Bestatter zum Bahnhof und würde den Sarg abholen. Erich beschloss für den Sarg einen Güterwagen bereitzustellen, weil normalerweise keine Leichen im Zug transportiert werden dürfen. Es gab keine Juden in der Umgebung, die den Sarg hätten tragen können, weil alle Juden zum Arbeitsdienst verpflichtet wurden. Niemand konnte wagen, der Arbeit fernzubleiben. Und die Nicht-jüdischen Männer hatten Angst vor den Nazis. Schließlich erklärte sich einer den Sarg frühmorgens mit dem Pferd und Wagen zum Bahnhof Bestwig zu fahren. Der Güterwagen wurde anschließend an einem regulären Zug angehängt. Kurz darauf merkte Erich, dass der Güterwagen auf ein Abstellgleis geschoben werden musste. Der Bahnhofsvorsteher erklärte ihm, dass es unmöglich sei den Güterwagen in der kurzen Zeit zu rangieren, bis der Zug nach Recklinghausen abfährt. Erich bat ihn sehr darum, sein möglichstes zu versuchen, da inzwischen vier Tage nach dem Tod seiner Mutter seien und die Menschen in Recklinghausen auf ihn warten würden. Daraufhin rief der Bahnhofsvorsteher alle Weichensteller persönlich an und kurze Zeit später stand der Güterwagen auf dem richtigen Gleis, sodass Erich und seine verstorbene Mutter zur vereinbarten Zeit in Recklinghausen ankamen.

  • "Wunder geschehen doch noch / Geschichte und Schicksal der jüdischen Familie Jacobs" - Erich Jacobs,
    Hrsg. von Siegfried Homann, Karl-Heinz Martini, Franz-Josef Wiemer. Aus dem englischen Originalmanuskript übersetzt von Andreas Wiemer (Deutsche Ausgabe; ISBN 3-938481-00-5)

  • Korrekturen, mit Unterstützung von Erich Jacobs' Tochter
    Vielen Dank an Fredel Fruhman ehem. Jacobs