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geschrieben von Johanna
am 2016-01-02
Letzte Änderung:
2016-05-24
Vorbereitungen zur bevorstehenden Auswanderung
Zurück in Recklinghausen gratulierten viele, der in der Gemeinde lebenden, der Familie zur Ausreisegenehmigung, da sich dieser Fall bereits rumgesprochen hatte. Viele jedoch waren neidisch, laut Erich Jacobs konnte man dies spüren, doch er hatte Verständnis dafür. Anschließend versuchte er neue Koffer zu besorgen in benachbarten Dörfern, denn in ganz Recklinghausen waren keine mehr aufzutreiben.
Die Koffer, die noch aufzutreiben waren, wurden durch tüchtige Unterstützung vieler Freunde der Familie reisetauglich gemacht und durch umgenähte Stoffe beispielweise gestärkt. Laut Hilfsverein durfte jede Person zwei Koffer mitnehmen, die nicht mehr als 25 Kilogramm wiegen durften, bei 3 Personen insgesamt 6 Koffer mit 150 Kilogramm. Außerdem durfte jede Person einen kleinen Koffer oder eine kleine Tasche mit Nahrung für drei Tage sowie ein Kopfkissen bei sich führen. Ein Beamter kam und überprüfte die Koffer auf Gewicht und ihren Inhalt, bislang lief alles problemlos. Erich Jacobs ging zur Regierung, um dort um die notwendigen Vermerke in ihren Reisepässen zu bitten, laut eines Gestapo-Mannes dauere dies jedoch 3 Tage. Diese Antwort ließ Erich Jacobs zunächst verzweifeln, woraufhin er ihm seine Situation darlegte. Infolgedessen lief der Gestapo-Mann, welchen Erich Jacobs kannte, selbst von einem Büro zum nächsten und besorgte die notwendigen Unterschriften, um die Ausreise zu ermöglichen. Solch ein Glück hatten wenige Juden, die um 1941 in Deutschland lebten, wenige hatten einen gültigen Reisepass, der ihnen erlaubte das Land zu verlassen. Familie Jacobs versuchte Dinge zu kaufen, die angeblich in anderen Ländern gefragt gewesen waren, wie etwa Rasierer, oder auch Stoffe, sodass Hetti damit künstliche Blumen basteln könnte, um diese ebenfalls zu verkaufen, was ihr jedoch nicht gelang. Erich Jacobs stand zudem vor der Herausforderung, lediglich wenige seiner vielen Bücher mitzunehmen und so musste er eine Auswahl treffen bezüglich der Bücher, die er mitnehmen wollen würde und packte jene in einen kleinen Koffer, den er im schlimmsten Falle zurücklassen müsse, wenn es ihm nicht erlaubt wäre diesen mit sich zu führen. Einige der Bücher schickte er an Louis und Adele nach Nuttlar, sie verschwanden jedoch als die beiden deportiert wurden. Während der Vorbereitungen zur Auswanderung der Familie Jacobs besuchte Erichs Schwester Rosa die Familie, niemand hatte ihr gesagt, dass sie auswandern würden, doch sie äußert ein Gefühl gehabt zu haben, welches sie zu ihrem Bruder trieb. Zudem rief die Familie Adele an, welche sofort zu ihnen nach Recklinghausen kam. Adele und Rosa nahmen viel vom Hausbestand der Familie, zudem wurden viele Gegenstände an Freunde verschenkt oder verkauft. Das Geld welches Familie Jacobs dabei verdiente schenkten sie Adele und Rosa, sowie der Gemeinde, da pro Person nur 10 Mark mitgenommen werden durften. Das Geld, welches sich auf dem Bankkonto der Familie Jacobs befand, wurde später von den Nationalsozialisten in Beschlag genommen, um diesen Betrag jedoch relativ gering halten zu können hob die Familie monatlich 350 Mark ab und schenkte es Freunden und Verwandten, um es den Nazis vorzuenthalten (kleiner Einschub: Ein Teil des Geldes ging an den Leiter der Gemeinde, um den Grabstein von Emma Jacobs, seiner Mutter, zu finanzieren. Das Grab ist heute immer noch auf dem jüdischen Friedhof in Recklinghausen zu finden, allerdings mit einem neueren Grabstein). Der Abschied von Adele und Rosa fiel Erich und Hetti sehr schwer, sie wussten sie würden sich wohl nie wieder sehen. Als anschließend das Kofferpacken weiterging kam Hetti die Idee, Dinge, die ihre Auswanderung in Gefahr brachten getarnt mitzuführen, um diese weiterhin nutzen zu können, wie etwa eine silberne "Seder" Schüssel. Nachdem die Koffer fertig gepackt waren beschloss die Familie diese noch zum Bahnhof in Wanne-Eickel zu bringen, auch wenn es Juden verboten war nach Eintritt der Dunkelheit noch auf die Straße zu gehen. Obwohl es neue Koffer waren, die durch Abdeckungen und neue Bänder geschützt wurden, waren viele von ihnen kaputt als sie nach vielen Jahren in Amerika ankamen. Erich Jacobs und seine Frau waren die letzten Personen aus Recklinghausen, die noch auswandern konnten, Erich Jacobs berichtet von einem Mann namens Herr Wieler, welcher ihm geholfen habe die Koffer zum Zug zu bringen, Herr Wieler wurde im Dezember 1941 zusammen mit der gesamten jüdischen Gemeinde in Recklinghausen deportiert. Anschließend berichtet Erich Jacobs von einer Frau Eichenwald, welche ihm die Bedingungen darlegte unter welchen die Juden im KZ leben mussten, sie bekamen kaum etwas zu Essen, weshalb viele Menschen dem Hungertod nicht entkommen konnten. Herr Wieler habe aufgrund dessen versucht an etwas essbares zu kommen, er wurde erwischt und sofort erschossen, seine Frau starb noch in derselben Nacht am Hungertod. Erich Jacobs Erinnerung gibt ihm keinen Aufschluss darüber, ob er noch genug Zeit gehabt hatte für eine Verabschiedungsfeier, er erinnert sich jedoch noch an das letzte Neumondfest ("Rosch Chodesch"), welches er in Recklinghausen mit allen Juden gemeinsam feierte, es gingen ihnen jedoch fürchterliche Gedanken währenddessen durch den Kopf, da die Nationalsozialisten zuvor noch Drangsalierungen an ihnen durchführten. Aus ihrer Angst heraus baten sie Gott um Beistand und Hilfe, um Deutschland noch rechtzeitig verlassen zu können. Geleitet von ihren Emotionen ließen sie ihren Gefühlen freien Lauf, weinten und schrien gemeinsam. Familie Jacobs besuchte am Tag vor ihrer Abfahrt noch einmal alle jüdischen Familien, es war kein leichter Abschied, denn sie wussten alle bereits genau, sie würden sich vermutlich nie wieder sehen und es gab keine Familie in der Gemeinde zu welcher Familie Jacobs keine freundschaftliche Beziehung gehabt haben soll. Die Stadt Recklinghausen soll zudem für die Familie eine zweite Heimat geworden sein, so Wohl sollen sie sich dort gefühlt haben. Die Auswanderung der Familie Jacobs soll in letzter Minute geschehen sein, eine Woche später gelang Erich Jacobs Schwiegervater noch die Flucht, doch dann Niemandem mehr. Keine weiteren Juden konnten Deutschland verlassen und fielen infolgedessen den Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern zum Opfer. Erich Jacobs selbst sagt, er habe keine Erklärung dafür wieso sie es verdient hatten gerettet worden zu sein, laut ihm hätten es wahrscheinlich hunderte mehr verdient als sie es taten, und er könne Gott nicht fragen warum ausgerechnet sie gerettet wurden, er könne ihm nur von Herzen dankbar sein und fühlte sich verpflichtet zu besonderer Religiosität, so sagt er, denn er habe das Wunder das Gott ihnen laut eigenen Angaben bescherte selbst miterlebt.

  • "Wunder geschehen doch noch / Geschichte und Schicksal der jüdischen Familie Jacobs" - Erich Jacobs,
    Hrsg. von Siegfried Homann, Karl-Heinz Martini, Franz-Josef Wiemer. Aus dem englischen Originalmanuskript übersetzt von Andreas Wiemer (Deutsche Ausgabe; ISBN 3-938481-00-5)

  • Korrekturen, mit Unterstützung von Erich Jacobs' Tochter
    Vielen Dank an Fredel Fruhman ehem. Jacobs